„Dass Sie allen Ernstes Mitschüler beschuldigen ist nicht nur angesichts Ihrer Vorgeschichte unglaubwürdig, sondern auch hinterhältig. Wer soll das denn gewesen sein?“Da Sara wusste, dass aus irgendeinem Grund ausgerechnet Vanessa Frau Lehmanns Lieblingsschülerin war, zögerte sie, sie zu beschuldigen. Aber dann dachte sie, dass das zerknüllte Papier unter Vanessas Tisch deren Schuld beweisen würde.„Sehen Sie die zerknüllten Zettel unter Vanessas Tisch? Das muss meine Hausaufgabe sein. Sie hat sie aus meinem Heft gerissen.“Vanessa machte eine übertriebene Unschuldsgeste wie man sie aus schlechten Filmen kennt.„Vanessa, würden Sie mir bitte den Müll bringen, von dem ihre faule Mitschülerin behauptet, es sei ihre Hausaufgabe?“ Vanessa hob das Papier auf und brachte es nach vorne. Dabei blickte sie zuerst siegessicher zu Sara und direkt danach schüchtern zu Frau Lehmann. Die Lehrerin entfaltete die Zettel. Es war nicht Sara Geschichtshausaufgabe. Vanessa hatte Sara hereingelegt, und zwar doppelt. Dass das nicht ohne Konsequenzen blieb, war klar. Ebenso klar war, dass Frau Lehmann nicht an Sara Besserung gelegen war, sondern, dass sie Lust hatte, ihre Reitgerte einzusetzen, und zwar am liebsten bei der Schülerin, die sie ohnehin nicht mochte.„Sara, Sie sind in meinen Augen nicht nur eine stinkfaule Schülerin, sondern ein verzogenes, hinterhältiges Miststück. Einer Mitschülerin völlig zu Unrecht einen derart gravierenden Vorwurf zu machen ist unerhört. Auf der Fortbildung letzte Woche ging es um „angemessene Bestrafungen“, also zum Beispiel um die Anzahl der Hiebe. Vorgeschlagen waren 6 Hiebe für nichtgemachte Hausaufgaben, 12 Hiebe für schwerere Vergehen sowie für Wiederholungstäter, und 25 Hiebe in besonders schweren Fällen. Als absolute Höchststrafe gelten 50 Hiebe auf dieselbe Körperstelle innerhalb einer Woche.“Sara schluckte. Für was für ein Vergehen hielt sie dieses denn? Sie hatte sich längst damit abgefunden, dass ihre Unschuldsbekundungen unerhört blieben. Mehr noch, sie hatten dazu geführt, dass es nicht mehr in erster Linie um nichtgemachte Hausaufgaben ging, sondern um Saras angeblich insgesamt beschämendes Verhalten.Frau Lehmann wandte sich dann an Vanessa.„Vanessa, wahrscheinlich sind Sie von den Anschuldigungen dieser dreckigen Lügnerin noch geschockter als ich. Da Sie direkt betroffen sind, finde ich, Sie sollten ein gewisses Mitspracherecht bei der Festlegung der Bestrafung haben. Mir fehlt selbstverständlich der Vergleich, aber ich denke, hier handelt es sich um ein Vergehen, das kaum schwerer sein könnte. Ich halte daher 25 Hiebe mit der Reitgerte für fast schon zu sanft. Aber 50 gehen nicht, da Sara gestern schon auf den Po geschlagen wurde Was denken Sie?“Sara traute ihren Ohren nicht. Die Person, die ihr die Bestrafung überhaupt erst eingebrockt hatte, durfte diese auch noch mitbestimmen?„Liebe Frau Lehmann, ich bin in der Tat schockiert, dass ausgerechnet mir eine Klassenkameradin so etwas anhängen will. Mir, der Klassensprecherin und Schülersprecherin, die sich immer für alle einsetzt. Ich kenne mich mit Prügelstrafen nicht aus, aber was ich weiß ist, dass Sara über die Schläge von Herrn Möller gestern nur gelacht hat. Nachmittags am See habe ich sie getroffen und sie hat sich über unseren Mathelehrer lustig gemacht. Geschlagen wie ein Mädchen habe er, hat sie gesagt. Ob 25 Hiebe mit der Reitgerte genug sind, kann ich nicht beurteilen, aber ich glaube, dass die Schläge nur etwas bringen, wenn sie auf den nackten Po erfolgen.“Sara schluckte. Zusätzlich zu den zu erwartenden Schmerzen drohte die ganze Angelegenheit äußerst erniedrigend zu werden.Ende Teil 7